Absolventen

Vor Anker gegangen

Vorm Harz geboren. Bei Weimar Koch gelernt. Auf den Weltmeeren zum Mann geworden: Alexander Siegel. Jetzt hat der Proviantmeister der Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ abgemustert. Der König der Kombüse ist jetzt Adlerauge in Sachen Hygiene – als Lebensmittelkontroller der Stadtverwaltung Weimar. Und hat schon das nächste Karriereziel im Blick – den gehobenen Dienst. Dafür macht Alex bei der Thüringischen VWA in Erfurt seinen Abschluss. Nach 12 Jahren hat Siegel endlich Anker geworfen. Nicht zuletzt dank des Berufsförderungsdienstes der Bundeswehr – und der VWA.

Was wäre die christliche Seefahrt ohne die Bayern, die Sachsen oder die Thüringer? Undenkbar. Schon immer stahlen sie den Nordlichtern die Show in den flotten deutschen Flotten. Auch aus der Landratte Alexander Siegel wurde ein stattlicher Seebär: Der gebürtige Nordhäuser schipperte zwar nicht über alle sieben Weltmeere. Kam aber trotzdem weit herum. Jetzt sogar bis Weimar.

Dort warf der gar nicht so alte Fahrensmann Anker. Aus dem Proviantmeister der Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ wurde ein Lebensmittelkontrolleur und Beamter auf Probe. Derzeit macht Siegel, Jahrgang 1983, seinen Abschluss als Verwaltungsbetriebswirt an der Thüringischen VWA. Und dann weiter Karriere.

Nach deren erster Etappe in Uniform („Die Marine hat die schönste.“) fehlte Alex als Quereinsteiger eine Verwaltungsausbildung. Das stand nach zwölf Jahren Bundeswehr seiner neuen Lebensplanung eigentlich entgegen. Auf Kurs brachte ihn seine Ausbildung zum Lebensmittelkontrolleur. Dabei erfuhr er, dass ein VWA-Abschluss anerkannt wird. Seine Chance, in den gehoben Dienst aufzusteigen.

Siegel setzte sofort Segel, sondierte die Lage bei seinen „Lotsen“ ins Zivilleben, beim Berufsförderungsdienst der Bundeswehr (BFD).

Dort gab es ermutigenden Zuspruch und die Zusage, die Weiterbildung zum Lebensmittelkontrolleur und das Studium an der VWA zu bezahlen. Deshalb ist Alex jetzt seit einem Jahr in Erfurt dabei und ganz zufrieden. Schüttet nur ein wenig Wasser in den Wein: „Leider wird der Abschluss nicht in allen Bundesländern anerkannt wie hier in Thüringen. In Bayern hätte ich damit keine Chance.“

Das scheint aber halb so wild. Denn wenn Alexander Siegel was anfängt, dann erledigt er das gründlich. Wie die Sache mit der Marine.

„Die Bundeswehr hat aus mir was gemacht“, sagt er. Dabei war das zunächst keine Liebe auf den ersten Blick. Im Gegenteil. Alex versuchte sogar, 2002 der Musterung zu entgehen. Doch Siegels Schauspielkunst überzeugte den Truppenarzt nicht. Er wurde vor die Wahl gestellt, sich beim Wachbataillon in Berlin die Beine in den Bauch zu stehen oder in einer Kombüse die Kochtöpfe und so den Seebärenhunger zu bändigen.

Siegel setzte auf Suppe & Co. – und kam im Herbst 2003 zunächst nach Sylt. Dort machte man aus dem gelernten Koch einen echten Smutje. Am Ende der Ausbildung durften sich die Jungs ihre Dienststelle aussuchen: Alex machte gleich zwei Kreuze für einen Job auf einem Versorgungsschiff. „Dachte mir, doppelt hält besser.“ War aber ein Irrtum. Statt auf See landete er Anfang 2004 in der Küche eines Marinefliegerhorsts bei Flensburg.

Damit nicht genug. Am ersten Dienst-Tag gab es die Botschaft, dass es sich dort zum Jahresende ausgeflogen haben werde.

Um möglichst bald fortzukommen, verlängerte Alex seinen Grundwehrdienst auf 23 Monate. Zur Belohnung gab es schon ein Vierteljahr später das Ticket nach Rostock-Warnemünde – und die Aussicht auf den Traum-Job auf einem Versorger.

Mag sein, dass es ein Zufall war: Als er am 1. April vor Ort erschien, erwartete den mutigen Matrosen die nächste Überraschung. Sein Schiff war fort. Auf Auslandseinsatz. Für sechs Monate. Aber „Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern...“ Wissen selbst Landratten. Fortuna meinte es gut mit ihm, der wider Erwarten auf dem Trockenen saß. Mitte April hatte er einen Flieger Richtung Mittelmeer, zu seinem Schiff.

Dort kapierte Alex schnell den Unterschied zwischen einem Wehrdienstleistenden wie ihm und einem Zeitsoldaten. Beide machten den gleichen Job – nur zu verschiedenem Sold. Abhilfe brachte die nächste Verlängerung der Dienstzeit.

Auf Sylt absolvierte er ein Jahr Ausbildung zum Proviantmeister und Kantinenführer. Dann musterte er auf der Fregatte „Emden“ an und wurde dafür zuständig, dass 250 Leute immer satt und zufrieden waren. Auch bei schwerer See in der Biskaya. Dass ausgerechnet Suppe die praktischste Speise bei Sturm sein soll, verblüfft sicher Süßwassermatrosen und Landratten: „Deshalb, weil man die mit einer Hand auslöffeln und mit der anderen sich festhalten kann.“

Immer auf der Suche nach dem Besonderen ließ Siegel sich noch zum Küchenmeister, später zum Schiffstaucher ausbilden.

So kam aber auch der Zeitpunkt immer näher, da dass Dutzend Dienstjahre voll werden würde. Und damit die Frage: Was dann tun?

Heimkehren! Zurück nach Thüringen. Zu den Wurzeln. In Mellingen, im Hotel „Ilmtal“, erlernte er schließlich den Beruf, der das Ticket für seinen Weg in die weite Welt war. Zu seinen Freunde und Bekannten um Weimar hatte er zudem nie den Kontakt abbrechen lassen. Gute Gründe also. Als die Stelle in der Verwaltung auch noch klar war, war’s beschlossene Sache.

Im Dezember 2013 warf er deshalb letztmalig die Leinen aus und machte fest. Hängte die schmucke Marineuniform auf den Bügel. Packte zum letzten Mal seinen Seesack aus. Und ist, wie es scheint, angekommen.

Nicht zuletzt dank des Berufsförderungsdienstes der Bundeswehr – und der VWA.